Unterschrift Wolfgang Thierse

Einweihung Gedenkort Akademie der Künste

 
7. Mai 2008

Einweihung eines Gedenkortes für die Akademie der Künste

Grußwort aus Anlass der Einweihung eines Gedenkortes für die von 1933 bis 1938 ausgeschlossenen und ausgetretenen Mitglieder der Akademie der Künste:

„Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte!“ Mit diesen Worten kommentierte Max Liebermann vom Dach seines Hauses den Fackelumzug zu Hitlers Machtergreifung durch das Brandenburger Tor, Ende Januar 1933.
Anfang Februar wurde der NSDAP-Mann Bernhard Rust zum Staatskommissar für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung in Preußen ernannt, wurde er zugleich Kurator der Akademie.

Kaum im Amt nahm Bernhard Rust den Kampf mit jenen Akademiemitgliedern auf, die mit Blick auf Hitler vor der „Vernichtung aller persönlichen und politischen Freiheiten in Deutschland“ öffentlich gewarnt hatten, unter ihnen Käthe Kollwitz und Heinrich Mann. Der im Februar 1933 amtierende Akademie¬präsident, Max von Schillings, wurde von den Nationalsozialisten heftig unter Druck gesetzt.

Die Akademie der Künste, so drohten sie, werde aufgelöst. Max von Schillings berief am 15. Februar eine außerordentliche Mitgliedersitzung ein und kritisierte in dieser das Verhalten von Heinrich Mann und Käthe Kollwitz: Es sei mit ihrer Stellung in der Akademie nicht vereinbar. Noch am gleichen Abend meldete er Vollzug und verkündete, dass Heinrich Mann sein Amt als Vorsitzender der Dichterabteilung niedergelegt und auf seine Mitgliedschaft verzichtet habe, ebenso Käthe Kollwitz.

In den Folgemonaten schieden – mehr oder weniger freiwillig – weitere Akademiemitglieder aus, darunter die Schriftsteller Leonhard Frank, Alfred Döblin, Bernhard Kellermann, Jakob Wassermann, René Schickele, Fritz von Unruh, Thomas Mann. Ihre Bücher wurden am 10. Mai 1933 öffentlich verbrannt.

Die Arbeiten von Bildenden Künstlern wie Max Liebermann, seit 1932 Ehrenpräsident der Akademie, Otto Dix, Karl Schmidt-Rottluff, Karl Hofer, Oskar Kokoschka, Max Pechstein fielen unter das Verdikt „Entartete Kunst“. Sie wurden aus den Museen entfernt und auf der von Joseph Goebbels organisierten berüchtigten Münchener Femeschau im Juli 1937 präsentiert.
Als entartet schmähten die NS-Ideologen die Kompositionen von Arnold Schönberg, Franz Schreker, Walter Braunfels; die Gestaltungsentwürfe von Erich Mendelsohn, Bruno Taut und Ludwig Mies van der Rohe, die Skulpturen der Bildhauer Renée Sintenis, Ludwig Gies, Rudolf Belling, Ernst Barlach. Sie alle waren Mitglieder der Preußischen Akademie der Künste und wurden in den Jahren 1933 bis 1938 ausgeschlossen oder gingen aus eigenem Entschluss.

Für die Geschmähten begann ein Leben in der Isolation. Nicht wenige von ihnen flüchteten ins Ausland, andere wurde inhaftiert, einige starben einen gewaltsamen Tod. Max Liebermann verstarb am 8. Februar 1935. Die Akademie lehnte jede Ehrung ihres Expräsidenten ab. Zu seinem Begräbnis auf dem jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee erschien am 11. Februar kein offizieller Vertreter der Akademie; kein Repräsentant der Stadt gab dem Ehrenbürger ein letztes Geleit.

Zur Geschichte der Akademie in diesen finsteren zwölf Jahren gehört auch der Hinweis, dass die Mehrheit der Akademie¬mitglieder die Zwangsmaßnahmen gegen ihre 41 Kollegen duldeten. Einige vielleicht mit der Faust in der Tasche, andere sicher auch mit Schadenfreude. Doch unabweislich ist: Mit dem Verlust dieser 41 Kollegen verlor die Akademie ihren Glanz, ihre Bedeutung, ihre Reputation.

Wenn wir heute jener Ausgestoßenen und Verfemten gedenken, dann schließt dieses Gedenken auch eine Mahnung mit ein: Wir dürfen nie wieder zuzulassen, dass braune, fremdenfeindliche, antisemitische Ideologien die Köpfe erobern. Den neuen Feinden der Demokratie und unseres Rechtsstaates müssen wir aktiv, wirksam und vor allem rechtzeitig entgegentreten. Das sind wir nicht zuletzt jenen schuldig, die in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts aus politischen, rassistischen oder sonstigen Gründen gedemütigt, verfolgt, ins Exil getrieben oder umgebracht wurden!
Ich danke den Gremien der Akademie der Künste für diese Initiative zur Ehrung der einst gedemütigten Kollegen!